Die Zukunft der Schweizer Medien in 10 Vorabmeldungen
Aktualisiert: 28. Apr. 2020
Christoph Blocher verkauft seine ‹Basler Zeitung› an die Zürcher Tamedia. Die SDA wird ausgeweidet, Publicitas öffentlich hingerichtet. Weil bald kaum mehr Medien übrig sind, die den Medienwandel begleiten, lesen Sie an dieser Stelle eine vorgezogene Presseschau.
4. Mai 2018 | Neue Zürcher Zeitung
Somm wird Hyperchefredaktor
Sesselwechsel an der Werdstrasse: Markus Somm, der bisherige Chefredaktor der ‹Basler Zeitung›, wechselt überraschend ab sofort in die Tamedia-Konzernzentrale und verantwortet bis auf Weiteres sämtliche Zeitungstitel. Laut VR-Präsident Pietro Supino führt der aktuelle Papiermangel – die Folge eines Brandes beim Lieferanten – zu diesem Entscheid: Bereits seit Tagen werden ‹Tages-Anzeiger› und ‹20 Minuten› mit geringerem Umfang gedruckt. Nun soll Somms Fähigkeit, rekordschnell die Leserschaft zu halbieren, die Lage zusätzlich entspannen helfen.
10. Juni 2018 | Medienwoche
Publicitas wagt den Neuanfang
Nachdem der einst stolze Anzeigen-Vermarkter innert weniger Tage von den grossen Schweizer Verlagen öffentlich zerlegt worden ist, hat die Unernehmensführung einen Neustart angekündigt: Man konzentriert sich künftig voll und ganz aus die juristischen Anzeigen, die aufgrund der finanziellen Situation – anders als klassische Anzeigen – ganz von allein bei der Firma eingehen werden.
1. August 2018 | Tages-Anzeiger
‹WOZ› heisst neu ‹Weltwoche›
Alt Bundesrat Christoph Blocher landet einen weiteren Coup: Die linke Wochenzeitung ‹WOZ› sowie die rechtsbürgerliche ‹Weltwoche› tauschen ihre Namen. Auslöser der Aktion ist Blochers Hobby, nebst Anker-Bildern und Hodler-Gemälden auch Schweizer Wochenzeitungen zu sammeln – da lockte die bekannteste aller Wochenzeitungen enorm. Ursprünglich verfolgte Blochers Zeitungshaus AG das Ziel einer Übernahme der ‹WOZ›. Laut Insidern wäre auch Markus Somm bereit gewesen, die Leserschaft gesundzuschrumpfen. Während der Verhandlungen stellte sich jedoch der Namenstausch als bessere Alternative heraus: Immer mehr linke Leser hätten der ‹WOZ› ohnehin nicht mehr über den Weg getraut – da eine Zeitung, die nicht versucht, auf Jobportale, Webshops und Ticketmarketing umzusatteln, längst im Verdacht steht, im Hintergrund von Blocher finanziert zu sein. Die ‹Weltwoche› wiederum schreckte mit ihrem Namen und dem Globus im Logo seit Jahren potenzielle Leser ab, die den Titel fälschlicherweise mit Weltoffenheit assoziierten.
11. September 2018 | Schweizerische Depeschenagentur
Megafusion zur ‹Neuen Einheitszeitung NEZ›
Die verbliebenen Tageszeitungen der grossen Schweizer Verlagshäuser fusionieren zur ‹Neuen Einheits-Zeitung NEZ›. «Endlich kommt zusammen, was zusammen gehört», lassen sich Peter Wanner (AZ Medien), Pietro Supino (Tamedia), Marc Walder (Ringier) und Etienne Jornod (NZZ) zitieren: «Der Grundstein für eine solide Zeitungsmarke, die lange Bestand haben wird, ist gelegt.»
1. Januar 2019 | Schweizerische Depeschenagentur
Watson schafft Buchstaben ab
Emotion schlägt Intellekt: Als erstes Schweizer Newsportal verzichtet ‹Watson.ch› ab sofort vollständig auf Text und Buchstaben. «Stattdessen arbeiten wir nur noch mit Bildern, Videos, Gifs und Emojis», heisst es im Video, das das Portal anstelle einer Medienmitteilung veröffentlicht hat. Neben Tierfotos und Pannen-Clips wird aber dennoch die Politik nicht zu kurz kommen: Täglich soll ein neues Trump-Foto veröffentlicht werden, auf das der User mit Wut-Smileys oder Blitz-Funktion reagieren kann.
12. April 2019 | NEZ
«Projekt D» scheitert
Das Projekt für ein neues, unabhängiges Web-Medium scheitert bereits in der Finanzierungsphase. Unter dem Titel ‹Die Demokratie› hätten die Initianten rund dreimal jährlich ausführliche Hintergrundartikel publizieren wollen. Zum Verhängnis wurde dem Projekt laut Experten allerdings nicht die Tatsache, dass das 200-seitige journalistische Manifest zur Crowdfunding-Aktion zu umfangreich und anspruchsvoll gewesen wäre, sondern der Umstand, dass die meisten Supporter von ‹Die Demokratie› selbst Medienschaffende sind, denen nach vorangegangenem Jobverlust das Haushaltsgeld für einen Funding-Beitrag fehlt.
1. August 2019 | Lidl aktuell
‹Lidl aktuell› übernimmt ‹NEZ›
Kostendruck, Inserateschwund und Leserverluste waren einfach zu gross: Nach knapp zwölf Monaten Eigenständigkeit erscheint die ‹Neue Einheits-Zeitung› künftig nur noch als halbseitige Beilage im Wochenprospekt des Discounters Lidl. «Der Grundstein für ein solides Medienangebot, das noch lange Bestand haben wird, ist gelegt», schreibt die Lidl Schweiz AG.
24. Oktober 2019 | Lidl aktuell
SDA-Keystone wird Parkplatzvermieter
Nachdem die Herausgeberin der ‹Neue Einheits-Zeitung›, die Lidl Schweiz AG mitgeteilt hatte, die Agenturmeldungen künftig nicht mehr von der SDA zu beziehen, stand die Schweizer Depeschenagentur ohne einzigen Kunden im früheren Kerngeschäft da. SDA-CEO Markus Schwab hat deshalb heute bekanntgegeben, das Unternehmen künftig als Parkplatzverwalter im Berner Länggass-Quartier neu aufzustellen. Das Personal der Schweizerischen Tiefgaragenagentur STA wird auf zwei Privatchauffeure reduziert, das Aktionariat soll als erste Dividende Parkhaus-Gutscheine im Wert von 12 Millionen Franken erhalten.
26. Januar 2020 | Bundesherold auf dem Berner Bundesplatz
Bundesrat sucht Maler und Bildhauer
Hört ihr Leut und lasst euch sagen: Als Reaktion auf die im Dezember 2019 angekündigte Einstellung von ‹Lidl aktuell› plant der Bundesrat, die Bevölkerung künftig mit Wandmalereien und Reliefs an öffentlichen Gebäuden über die wichtigen Ereignisse und Abstimmungsvorlagen zu informieren.
3. Mai 2020 | s.n.s.l.
Schweiz feiert ersten wahren Tag der Pressefreiheit
Eine unbekannte Zahl arbeitsloser Journalisten und Fotografen hat gemeinsam zum Tag der Pressefreiheit in einer Schweizer Stadt demonstriert und an jene Zeit erinnert, in der die Schweiz noch nicht vollständig pressefrei war. Mehr Informationen liegen nicht vor, da niemand darüber berichtet hat und es auch niemanden interessiert hätte.
Eine leicht gekürzte Fassung dieses Artikels ist in der Rubrik «Tor des Monats» in der Nebelspalter-Printausgabe Nr. 5/2018 erschienen.
Comments